Default Mode Network

Default Mode Network oder warum zur Ruhe kommen oft so unruhig ist

Default Mode Network (DMN, oder wie im deutschen etwas schwerfällig bezeichnet – unser Ruhezustandsnetzwerk) beschreibt eine Gruppe von Hirnregionen, die aktiv werden, wenn der Mensch keinerlei Aufgaben nachgeht. Es ist also ein Netzwerk, das während Ruhephasen und bei der Selbstreflexion tätig ist und veranschaulicht auf wunderbare Weise wie unser Gehirn und unser Bewusstsein miteinander interagieren. Außerdem lässt sich dadurch gut erklären, warum es für uns Menschen eine Herausforderung darstellt NICHTS zu tun.

Ich nehme mir also heute Morgen die Zeit NICHTS zu tun. Dafür stelle ich mir einen Timer auf 10 Minuten und setze mich auf mein Meditationskissen und mache…… NICHTS. Und das ist erstmal sowas von unangenehm. Von Ruhe keine Spur! Ich bemerke die Anspannungen in meinem Körper, der Rücken tut weh, ich habe Kopfschmerzen, dass mein Körper sich so anfühlt macht mir Angst, werde ich vielleicht krank? To Do Listen schwirren in meinem Kopf herum und versuchen mich in der Zeit nach vorne zu ziehen. Sorgenvolle Gedanken über vergangene Ereignisse bringen mich zum Grübeln. Nur nicht im Jetzt bleiben, denkt der Kopf, das ist einfach zu unangenehm. Die geplanten 10 Minuten müssten doch jetzt schon längst vorbei sein. Ich habe heute ohnehin viel zu viel zu tun. Ich werde dann wann anders NICHTs tun……

Selbstwahrnehmung: die neuropsychiatrische Erklärung zu oben beschriebenen Erfahrungen (finde ich ja immer spannend, wenn das eigene Selbstempfinden und wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenpassen….zeigt mir wie schlau unser Körper doch ist): Wen wir zur Ruhe kommen und die Gedanken schweifen lassen, springt oben erwähnter Teil unseres Gehirns an: unser Default Mode Network. Und dieses ist praktisch dafür da sich Sorgen zu machen. Entwicklungsgeschichtlich auch total sinnvoll, weil wir früher (und ich rede hier über unsere Ur-Ur-Ur-Ahnen….na ihr wisst schon….Steinzeit und so) einfach darauf angewiesen waren Gefahren sicher abzuspeichern. Heute sind diese Gefahren diffuser, aber für uns damit nicht weniger real oder bedrohlich. Unser DMN hat die Aufgabe sorgenvolle und selbstkritische Gedanken über die Vergangenheit, die Zukunft und das Selbst (Ego) zu generieren, um uns vor ebendiesen Gefahren zu schützen.

Und dann, fast wie unbemerkt von mir, öffne ich meine Augen, um die Zeitanzeige auf dem Timer zu prüfen….4:05 Minuten vorbei…..noch 5:55 Minuten NICHTS tun….PUH! Es juckt mich in den Fingern vom SEIN ins TUN zu wechseln, meine Emails zu checken, oder die neuesten Nachrichten. Es wäre jetzt so viel leichter evon meinem Meditationskissen aufzustehen und den Tag zu beginnen! Oh und wie gut ich diesen Modus kenne, dieses getrieben sein, diese innere Stimme die mich ins TUN zieht. Und je mehr ich dem nachgebe, je mehr ich den Stimmen meines DMN glaube, desto schwieriger wird es für mich zu sorgen. Ich entwickle manchmal eine regelrechte Abneigung gegen stille Zeiten ohne Ablenkung, gegen alles was mich mehr ins spüren bringen würde. Warum ist das so? Je weniger ich fühle, bzw. mein Inneres wahrnehme, desto mehr wird alles was da im Inneren ist aufgestaut. Alles was ich in den letzten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren an körperlichen Spannungen, diffusen Gedanken, Ängsten und unverarbeiteten Emotionen angesammelt habe, wird schön verpackt und füllt nach und nach meinen inneren Speicher. Die Tür kann ich im TUN, mit Ablenkung immer wieder fest verschließen. Aber sobald ich mich hinsetze und NICHTS tue, dringt all das in mein Bewusstsein.

Ständige Ablenkung: In unserer heutigen Welt sind wir von zahlreichen Ablenkungen umgeben, sei es durch Arbeit, soziale Medien oder andere Aktivitäten. Diese Ablenkungen verhindern, dass wir uns auf unser Inneres konzentrieren und zur Ruhe kommen. Und ist es nicht viel leichter diese Zeiten der Selbstwahrnehmung aufzuschieben oder gar ganz zu vermeiden? Insbesondere wer ein sehr aktives DMN hat oder ohnehin zu sorgenvollem Gedankenkreisen neigt, ist hiervon betroffen.

Ich bemerke wie es mich treibt, mein DMN, ins Tun, dazu aufzustehen und all die unglaublich wichtigen Dinge zu erledigen, die keine 5:55 Minuten Aufschub erlauben. Und dieser Gedanke bringt mich zum Schmunzeln. Wenn ich mal ehrlich zu mir bin, gibt es gerade wirklich NICHTS was nicht noch 5:55 Minuten warten kann. Ich entscheide mich also sitzen zu bleiben. Ich lasse mich ein auf meinen unaufgeräumten inneren Speicher, in dem ich schon lange mal wieder Ordnung schaffen wollte. So, und nun kommt das Gute, wenn ich mich hinsetze und mich fühle, ganz im Jetzt und im SEIN ankomme, dann kann ich das DMN quasi befrieden. Ja es wird erstmal laut sein, ja es wird erstmal unangenehm sein. Und vielleicht schaffe ich es heute gerade nur einige Minuten hinzufühlen. Aber mit jede Minute, die ich mir erlaube ALLES zu fühlen was gerade da ist, ohne es wegzuschieben, wird mein DMN ruhiger und ich schaffe mehr Ordnung in meinem inneren Speicher. Und wenn die Gedanken mich wieder in die sorgenvolle Vergangenheit oder eine hektische Zukunft treiben wollen, weis ich jetzt: das ist mein DMN, der dazu programmiert ist, mir Gefahren und Sorgen zu präsentieren. Und wenn ich das bemerke, konzentriere ich mich auf etwas anderes, als die Stimmen meines DMN, zum Beispiel meinen Atem oder meinen Körper.

Regelmäßiges Aufräumen im Inneren: Die Idee, dass das regelmäßige Hinschauen auf das Innere wie das Aufräumen eines unaufgeräumten Speichers ist, ist spannend und so passend. Es kann also zunächst unangenehm sein, sich mit ungelösten Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen, aber mit der Zeit trägt es dazu bei den Geist zu beruhigen und Stress abzubauen.

Mein Fazit nach 2 Wochen NICHTS tun am Morgen: nach einigen Tagen werde ich das erste Mal vom Timer überrascht und bleibe sogar noch länger sitzen, weil ich die Ruhe und Stille genieße. Meine Tage werden entspannter und mein Kopf weniger sorgenvoll, ich fühle mich geordneter.

Routine der Selbstwahrnehmung: Täglich Zeit für Selbstwahrnehmung zu reservieren ist also sinnvoll. Es kann helfen, die Ansammlung von Stress und Sorgen zu verhindern, indem man sich Zeit nimmt, um in der Gegenwart zu verweilen, sich zu entspannen und Gedanken und Gefühlen Raum zu geben. Es ist ein wichtiger Schritt zu mehr innerer Ruhe und Gelassenheit.

Wann nimmst DU dir die Zeit NICHTS zu tun?